FZ Jülich modelliert klimaneutrale Energieversorgung bis 2045

Grafik: eine Art dreidimensionales Balkendiagramm zeigt, wie eine klimaneutrale Energieversorgung 2045 funktionieren soll.Grafik: FZ Jülich
Wind und Sonne sind 2045 die wichtigsten Energielieferanten, die Industrie der größte Verbraucher.
Energiesystem-Forscher:innen aus Jülich haben modelliert, wie Klimaneutralität bis 2045 gelingen kann. Das Ziel ist demnach sowohl technisch als auch wirtschaftlich erreichbar – doch leicht wird das nicht.

„Gegenüber den bisherigen Minderungszielen stellen die neuen Ziele des Klimaschutzgesetzes eine Zäsur dar“, erklärt Prof. Detlef Stolten, Direktor des Jülicher Instituts für Techno-ökonomische Systemanalyse. „Sie erfordern eine Veränderungsdynamik, die sich grundlegend von der Entwicklung der vergangenen Jahre unterscheidet.“ Daher müsse man sofort und in allen Sektoren Maßnahmen treffen.  

Das Besondere an der Studie aus Jülich sind die speziell dafür entwickelten Computermodelle. Sie bilden die künftige Energieversorgung mit hoher Detailtiefe ab. Dabei berücksichtigen sie zum Beispiel, wie viel Ausbau für Windkraft oder Photovoltaik in einer bestimmten Region möglich ist. Auch Import- und Exportwege für Energie sind einbezogen. Aus diesem detaillierten Modell leiten die Forscher:innen Maßnahmen und Strategien ab.

Dauerbrenner für klimaneutrale Energieversorgung: mehr Ökostrom, Wasserstoff und Energieeffizienz

Die Grundaussagen überraschen indes nicht: An die Stelle fossiler Energieträger müssen demnach so weit und so schnell wie möglich erneuerbare Energiequellen treten. Das hat zur Folge, dass der Stromverbrauch in allen Sektoren deutlich steigen wird. Die CO2-freie Stromerzeugung und ein massiver Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung ist also Voraussetzung für das Erreichen von „Netto Null“. In Zahlen heißt das laut dem Modell: Faktor vier bei der Onshore-Windkraft. Wegen höherer Leistungen der Anlagen müsse deren Zahl aber nur leicht steigen. In der Photovoltaik gilt ebenfalls Faktor vier, allerdings in Bezug auf die mittlere Ausbaurate der letzten zehn Jahre. Das Potenzial dafür sei vorhanden.

Wasserstoff ersetzt in den Modellen die fossilen Brennstoffe großflächig, dient als Speicher für erneuerbare Energien und als Kraftstoff (bzw. Ausgangsstoff hierfür) und koppelt die verschiedenen Sektoren miteinander. In einigen Sektoren sei er optional, in der Industrie aber unverzichtbar.

Laut der Modellierung aus Jülich lässt sich der Endenergieverbrauch allein durch Maßnahmen wie Dämmung, Wärmepumpen oder auch effizientere Haushaltsgeräte um knapp ein Drittel vermindern. Durch den Umbau der Energieversorgung sinkt der Energieverbrauch insgesamt bis 2045 um etwa 40 Prozent.

Knackpunkte: CO2-Speicherung und Energieimporte

Da selbst bei engagierten Maßnahmen nicht alle Emissionen verschwinden, beziehen die Forscher:innen aus Jülich auch die CO2-Abscheidung ein. Vor allem Landwirtschaft und Industrie würden zunächst Emissionsquellen bleiben. „Um Netto Null zu erreichen, müssen diese Restemissionen kompensiert werden, indem dem natürlichen Kreislauf Kohlenstoff entzogen wird“, erklärt Peter Markewitz, Co-Autor der Studie. Das Modell sieht vor, dass 50 bis 90 Millionen Tonnen CO2 aus der Atmosphäre dauerhaft entzogen und gespeichert werden. Das könne zum Beispiel in geeigneten geologischen Formationen geschehen, so Markewitz.

Mit der Energiewende geht meist der Wunsch nach mehr Unabhängigkeit von Energieimporten einher. Studien unterscheiden sich oft in der Frage, wie viele Importe noch nötig sein werden. Die System-Forscher:innen aus Jülich kommen zu dem Schluss, dass die Importe von heute 74 Prozent auf etwa 22 Prozent im Jahr 2045 sinken könnten. Das biete nicht nur wirtschaftliche Vorteile. Auch geopolitisch sei es ein Pluspunkt. So sei man weniger von zukünftigen Energieimportländern abhängig und weniger Preisrisiken auf den internalen Energiemärkten ausgesetzt.

Mehrkosten sind kalkulierbar und bezahlbar – im Gegensatz zum Klimawandel

Der Umbau des gesamten Energiesystems bedeute enorme Herausforderungen in nahezu allen Bereichen. In ihren Modellen stellen die Forscher:innen aus Jülich nicht nur Lösungen dar, sondern ermitteln auch Kosten. Sie kommen auf einen Betrag von etwa 139 Milliarden Euro jährlich für das Jahr 2045. Dies sind offensichtlich nennenswerte Mehrkosten“, so Detlef Stolten. „Sie sind jedoch sowohl planbar als auch überschaubar sowie finanziell tragbar. Nachträgliche Anpassungskosten an den Klimawandel dürften um ein Vielfaches höher sein.“

Eine andere Studie zum Thema klimaneutrale Energieversorgung 2045 war die Leistudie der dena, die ebenfalls kürzlich veröffentlicht wurde.

02.11.2021 | Quelle: FZ Jülich | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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